Leseempfehlung: Jayrôme C. Robinet "Mein Weg von einer weißen Frau zu einem jungen Mann mit Migrationshintergrund"

In seinem 2019 erschienen Buch Mein Weg von einer weißen Frau zu einem jungen Mann mit Migrationshintergrund berichtet Jarôme C. Robinet von seinem Leben und wie radikal sich dieses verändert hat, seit er von der Gesellschaft als Mann wahrgenommen wird.

Jarôme wurde 1977 in Nordfrankreich geboren, zog als junger Mensch nach Berlin und begann dort seine Transition. In dem knapp über 200 Seiten langen Buch berichtet er über Erinnerungen und Erlebnisse, welche sein Leben bisher geprägt haben.
Das Buch eröffnet Jarôme mit einer Erfahrung aus seiner Kindheit, als er mit 16 von einem 10-Meter-Turm im Freibad springen wollte. An diese Aufregung von damals fühlt er sich zurückerinnert, kurz bevor er das erste Mal die Männerumkleide in einem Fitnessstudio benutzt. Im Verlauf des Buches wechselt Jarôme häufig zwischen Episoden aus seiner Vergangenheit und der Gegenwart und berichtet gleichermaßen von Erfolgserlebnissen, wie seiner ersten Testosteron Spritze, als auch von bürokratischen Hürden und diskriminierenden Vorfällen in seinem Alltag.


Während beispielsweise die Einreise in ein anderes Land, Passkontrollen oder gar die einfache Benutzung einer öffentlichen Toilette für die meisten Menschen kein Problem darstellen, werden in solchen Situationen Jarôme und anderen transgender* Personen oftmals in ihrer Identität hinterfragt und verbal sowie körperlich diskriminiert.
Dabei schafft Jarôme es, komplexe Sachverhalte leicht verständlich und humorvoll zu erklären und strukturellen Probleme in unserer Gesellschaft anzusprechen. Regelmäßiges Schmunzeln während des Lesens ist auf jeden Fall garantiert, aber ebenso oft wird es vorkommen, dass der lesenden Person das Lachen im Halse stecken bleibt und zu einem schweren Stein im Magen wird.

Darüber hinaus führt das Buch auch Personen mit wenig oder keiner Vorerfahrung mit transgender* und anderen nicht binären Geschlechtsidentitäten gut in die Thematik ein. Beinahe nebenbei erklärt Jarôme, was eigentlich ein Ergänzungsausweis ist und wie der bürokratische Prozess aussieht, wenn sich eine Person in Deutschland für eine Transition entscheidet und amtliche Dokumente verändern möchte.
Jarôme berichtet jedoch auch davon, wie sich das Verhalten seiner Umgebung verändert hat, seit er von seinen Mitmenschen als Mann gelesen wird. Menschen weisen ihm plötzlich Kompetenzen zu und respektieren seine Meinung mehr, als es früher der Fall gewesen war, als er noch als Frau wahrgenommen wurde. Gleichzeitig muss Jarôme lernen, dass gesellschaftlich neue Verhaltensweisen von ihm erwartet werden. 

Mein Weg von einer weißen Frau zu einem jungen Mann mit Migrationshintergrund behandelt sehr komplexe, intersektionale und aktuelle Themen und schafft es dabei, diese leicht verständlich und unterhaltsam zu vermitteln, was bei der Ernsthaftigkeit der angesprochenen Themen keine Selbstverständlichkeit ist. Das Buch schafft einen sehr persönlichen Einblick in das Leben des Autors und nimmt dabei kein Blatt vor dem Mund.
Dies macht das Buch perfekt für all jene, die mehr über die Lebensrealitäten von geschlechterdiversen Menschen in Deutschland erfahren wollen und sich für biografische Berichte interessieren.

Zusammenfassung: Maria Wolff